Die Idee mit der totsicheren Anlage
Rückblende: Wir schreiben das Jahr 2011. Laut Statista gab es damals nur noch 0,8 % Zinsen aufs Tagesgeld. Die Inflationsrate lag dagegen schon bei knapp über 2 %. Also ein Minusgeschäft – soviel wusste ich schon. Was also tun mit dem lieben Geld?
Gold und Silber hatte ich zu dem Zeitpunkt schon immer mal wieder gekauft gehabt – das sollte nicht noch mehr Anteil am Gesamtvermögen bekommen. In Aktien investieren? Damals für mich noch unvorstellbar – hatte ich doch vom Elternhaus und den Medien bisher nur Schlechtes darüber gehört. „Zocker, Spekulanten, Heuschrecken, Parasiten, Teufelszeug“ waren die zugehörigen Begriffe.
Eine Freundin von mir arbeitete damals bei einem Unternehmen im Büro, das PV-Anlagen auf die Dächer von Einfamilienhäusern installierte. Das wäre doch eine gute Idee, meinte sie. Und eine attraktive Einspeisevergütung vom Staat gäbe es ja auch. Also eine totsichere Anlage.
Hörte sich für mich schlüssig an, also folgte ein Termin bei besagter Firma. Die rechnete dann aus, wie viele Module wir auf das Dach meines Elternhauses vernünftigerweise installieren konnten, und was das kosten sollte. Außerdem zeigten sie Tabellen mit tollen Renditen (> 10 % pro Jahr), die untermauern sollten, wie lukrativ das Ganze ja sei.
Das Ende vom Lied? Ich lies mich überzeugen und schloss einen Vertrag über 9,12 kWp, verteilt auf zwei Stränge und damit zwei Wechselrichter. Kosten sollte alles 21.000 € Netto. Die Mehrwertsteuer kam zwar noch oben drauf, gab es aber dank Gewerbe sofort wieder zurück.
Am 01.09.2011 wurde die Anlage dann ans Netz angeschlossen und speiste von nun an Strom, welcher nicht direkt wieder im Haus verbraucht wurde, ins öffentliche Netz ein.
Die Entwicklung seitdem
Glücklicherweise läuft die Anlage seit Beginn ohne Kosten für Wartung oder Reparaturen. Hier gibt es also bis dato nichts Negatives zu vermelden.
Auf der Einnahmenseite lieferte die PV-Anlage über die Jahre relativ konstante Stromerträge, wenn auch im Trend leicht sinkend durch die normale Degradation der PV-Zellen:

Von den gesammelten kWhs gingen noch einige im Eigenverbrauch ab:

Was gab es dafür an Vergütung, und wieviel konnten wir dadurch an Stromkosten sparen? Hier habe ich der Einfachheit halber 0,30 € pro selbst verbrauchte kWh angesetzt.


Zusammen genommen ergab sich also folgender Cashflow:

Vergleich mit MSCI-World
Um korrekt zu Vergleichen, habe ich mir hier die Kurse des MSCI-World-Index jeweils Anfang September kopiert und angenommen, dass ich am 01.09.2011 die 21.000 € darin investiert hätte statt in die PV-Anlage.
Dabei ergibt sich dann folgendes Bild:

Erklärung: Die Börsenanlage in den MSCI-World könnte ich jederzeit zum angezeigten Wert verkaufen (hier habe ich schon großzügig 26,5 % Steuer auf den Ertragsanteil abgezogen, Teilfreistellung würde eigentlich noch oben drauf kommen und damit die Steuern auf ca. 18,5 % senken).
Stand 01.09.2022 wären also aus den 21.000 € eine nette Summe von 65.329 € geworden, auf die ich jederzeit Zugriff hätte.
Die PV-Anlage hat es ohne Eigenverbrauch noch nicht mal bis zu den Investitionskosten geschafft, mit Eigenverbrauch auf 4.280 € Gewinn und damit 25.280 € Gesamt.
Fraglich ist, welche Summe man aktuell für die Anlage bei einem Verkauf bekommen könnte. Rein steuerlich sind von den 21.000 € aktuell 9.392 € noch nicht abgeschrieben. Setzen wir einfach mal großzügig 10.000 € an – damit wären wir inkl. Eigenverbrauch bei bestenfalls 35.280 €.
Fazit
65.329 gegenüber 35.280 €. MSCI-World gegenüber staatlich geförderter PV-Anlage. Und das auch nur, wenn ich die Anlage wirklich für 10.000 € verkauft bekomme…
Rechnen wir uns doch mal die Renditen beider Geldanlagen aus:
Nachsteuergewinn MSCI-World: 44.329 € über 11 Jahre ergibt eine durchschnittliche Jahresrendite von: 10,86 %
Bei der PV-Anlage sind aktuell aus 21.000 € Anfangsinvestment Stand jetzt (und das nur bei einem erfolgreichen Verkauf) 35.280 € geworden. Das macht eine Rendite von: 4,82 %
Wenn man ohne Verkauf rechnet, sind aus den 21.000 € genau 25.280 € geworden. Das macht dann eine Rendite von 1,70 %
Nachdem man sich diese Zahlen ansieht, fällt das Fazit sehr leicht: Die PV-Anlage war eine meiner dümmsten Investitionen überhaupt.
Und dabei habe ich jetzt noch nicht mal mitgerechnet, dass ich jedes Jahr Zeit in die korrekte steuerliche Abrechnung investieren muss, dass jederzeit ein Modul oder ein Wechselrichter kaputt gehen können, welche dann größere Kosten nach sich ziehen oder – und das ist viel wichtiger – dass ich mit dem Geld mittlerweile mit einer Anlage in meinen Optionshandel eine Rendite jenseits der 15 % Netto im Jahr erzielen könnte.
Ich kann ja nicht mal aktuell die Entscheidung treffen, die PV-Anlage zu verkaufen und das Geld damit umzuschichten, da ich vermutlich keinen Käufer finden werde. Also bleibt mir nichts anderes übrig, außer zu hoffen, dass keine Reparaturkosten auf mich zukommen und ich am Ende der Lebensdauer nicht auch noch Entsorgungskosten zu zahlen habe. Bis dahin werde ich weiter die Zahlungen aus der Stromeinspeisung dankend annehmen und anderweitig gewinnbringend investieren.
Wie sieht es bei dir aus?
Hast du auch eine PV-Anlage?
Wenn ja, welche (kWpeak, wo, seit wann)
Wie sind deine Erfahrungen damit?
Gerade von jüngeren gut gebildeten Menschen, die es sich offensichtlich leisten können, hätte ich mir eine andere Einstellung zu PV erhofft. Wer erst seit 2011 am Aktienmarkt investiert, hat noch keine ordentliche Finanzkrise mit erlebt. Da kann das Depot schonmal um 40% oder mehr in den Keller rauschen. Wahrscheinlich freut man sich erst dann wieder an der Konstanz einer PV Anlage. Und sieht auch mal den Mehrwert für die Umwelt. Das Leben besteht nicht nur aus Rendite um jeden Preis. Auch Arbeit kann ja durchaus Spaß machen.
Viele Grüße Jochen
Hallo Jochen,
danke für deinen Kommentar 🙂
Hmm, vielleicht ist gerade das gut gebildete das Problem? 😉
Ich habe den Crash 2018 und den Corona-Crash voll mitgenommen. Wenn das Depot 40 oder 50 % in den Keller rauscht bringt mich das nicht um meinen Schlaf, da ich weiß, dass langfristig nichts passieren kann und der Aktienmarkt die höchste Rendite verspricht.
Der Mehrwert für die Umwelt ist äußerst fraglich (Produktion der Platten und der Elektronik) genauso wie am Ende der Lebensdauer die Müllbeseitigung.
Dazwischen gibt es dann das tolle Problem der Flatterstrom-Einspeisung ins Netz. Ich habe Elektrotechnik studiert und habe da so meine Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Energieform…
Das Leben besteht nicht nur aus Rendite, ja. Trotzdem ärgere ich mich, weil ich 2011 die Entscheidung auch anders hätte treffen können und dann heute vermutlich mindestens die halbe Million auf dem Depot stehen würde…
Grüße,
Manuel
Moin zusammen,
Deine PV fur 20k war etwas teuer, hatte ebenfalls 2021 eine 9 kwp für 13k installiert. Zudem sind 2 Wechselrichter absoluter Fehler.
Aber manchmal muss sich nicht immer alles rentieren. Oder wie viel Rendite bringt das Auto oder eine neue Küche?
Hab seit 2021 nur 50% Strombedarf, der Rest wird durch die PV abgedeckt.
Die steigende Strompreise nehme ich daher gelassen.
Hallo Michi,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Ich habe die PV tatsächlich in 2011 nicht 2021 gekauft. Von daher war die damals noch teurer.
Wieso sind denn zwei Wechselrichter ein Fehler?
Ein Auto oder eine Küche sollen aber auch keine Geldanlage sein im Normalfall 😉
Grüße,
Manuel
Also der reine jährliche Return liegt ja bei über 10%. Natürlich sinkt der Ertrag und der Wert der Anlage. Für einen korrekten Vergleich müsste man vom Investment in den MSCI noch den Gegenwert de jährlichen Eigenbedarfes abziehen. mit bspw. einem Elektroauto kann man dann das Ertragsverhälnis noch einmal optimiieren. Insgesamt aber mal eine interessanter Artikel mit realen Ertrags- und Defradationszahlen, denn letztere werden nach meinem Kenntnisstand positiver beworben.
Gruß Raven
Hallo Raven,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Naja, ein Elektroauto kostet aber aktuell ziemlich viel mehr als ein vergleichbarer nicht-Elektro-Wagen. Diesen Aufpreis müsste man dann ja sofort wieder von der Vergleichsrechnung abziehen…
Am Ende bleibt es ein sehr illiquides Investment mit versteckten Risiken (Wechselrichter oder Module können kaputt gehen), welches sich einfach nicht rentiert, wenn man es mit einem Investment in die Börse vergleicht.
Es bleibt aber spannend, da anscheinend ab nächstem Jahr die Besteuerungen von PV-Erträgen wegfallen soll. Dies würde die Rechnung nochmal stark verändern.
Grüße,
Manuel
toller Artikel und ich finde die Zahlen gar nicht so schlecht, immerhin sind nach ca 10 Jahren die Anschaffungskosten wieder drin. Ob ein Vergleich zu Aktien hier korrekt ist möchte ich zur Diskussion stellen, sind es wirklich die gleichen Risikoklassen?
Ich bin auf jeden fall auf den nächsten Artikel gespannt mit aktueller Technik
Gruß Christian
Hallo Christian,
danke für deinen Kommentar.
Ja klar, die Risikoklassen sind definitiv andere.
Ich habe es einfach für mich verglichen, da ich mich nicht vor Aktien scheue und Stand heute tatsächlich eine solche Entscheidung nur noch nach Renditegesichtspunkten treffen würde.
Grüße,
Manuel
Sehr erhellend. Mir war bisher noch gar nicht bewußt das sich die ganzen Wirtschaftlichkeitsberechnungen darauf beziehen wann ich mein initiales Investment zurückhabe. Bei den meisten Angeboten die ich mir habe erstellen lassen waren es 12-14 Jahre. Dann habe ich mein Geld zurück zu 0%.
Hallo Andre,
Danke für deinen Kommentar.
Ja, genau, dann ist man erstmal auf 0, aber auch nur, wenn man die Inflation aus der Rechnung rauslässt…
Grüße,
Manuel
Danke Manuel.Auf 0 nach 14 Jahren 🤦♂️. Das muss man sich wirklich vergegenwärtigen
Hast du mal gerechnet ob wie es aussähe wenn du den entstandenen Cashflow in einen ETF gesteckt hättest?
Z.B. via https://backtest.curvo.eu/ Könnte das düstere Bild evtl etwas aufhellen
PS: Verkauf halte ich für ausgeschlossen, zumindest bei EFH-Dachanlagen
Habe ich bisher nicht ausgerechnet, auch weil ich annehme, dass ein PV-Ankagen-Investor eine andere Risikotragfähigkeit als ein Börsenanleger hat.
Aber ich habs mal kurz in den von dir verlinkten Rechner gecheckt.
Cashflow PV in Börse (FTSE All World) ergibt Stand jetzt ca. 40.000 € vor Steuern.
Die 21.000 € einfach zum Start investiert ergeben vor Steuer ca. 80.000 €, also immer doppelt so gut.
Zum PS: ich leider auch 😕
Grüße,
Manuel
Viele sehen bei einer installierten PV-Anlage nur die jährlichen Einnahmen. Rechnen das in einen Zins (meinetwegen 8%) um und vergleichen das mit dem Tagesgeldkonto. Was sie dabei vergessen, dass das angelegte Kapital (der Preis der PV Anlage) nach 20 Jahren gegen null geht. Bei mir persönlich sind so aus 8% glatte annualisierte 3% „Zins“ geworden.
Ist das nun gut oder schlecht? Renditemäßig eher mau, aber kalkulierbar und somit nicht ganz so ergebnissoffen wie eine Anlage in einen MSCI-World. Aber dafür hat man auch etwas für die Umwelt und die Eigenversorgung mit Strom getan. Letztendlich muss es jeder selbst entscheiden, ob die Geldanlage oder der Umweltgedanke mit gewisser Stromautarkie ein größeres Gewicht spielt.
Hallo Marko,
Danke für deinen Kommentar.
Ohne Akku und Insel-Wechselrichter kann man leider nicht von Autarkie sprechen, da ohne Netz von Außen erstmal gar nichts geht.
Ob man am Schluss etwas für die Umwelt bzw für das deutsche Stromnetz getan hat, mag ich Stand jetzt noch arg bezweifeln. Stichworte: Verbrauchte Energie bei der Produktion, Entsorgung, fehlende Regelbarkeit der Leistung
Grüße,
Manuel
Vielen Dank für den Artikel! Ich habe zwar auch so ein Ding seit 2012 auf dem Dach, allerdings deutlich kleiner und ebenfalls ohne Speicher, Frage mich aber schon immer , wie da eine Rendite zustande kommen soll. Die entscheidende Stellgröße ist der Eigenverbrauch. Je nachdem, wie man den ansetzt, kommt was Positives heraus oder eben nicht. Letztlich ist es nur eine Möglichkeit, sich von den exorbitanten Stromkosten etwas zu entlasten
Hallo Hellequin,
Danke für deinen Kommentar.
Du hast Recht, eine Stellschraube ist der Eigenverbrauch. Dieser ist aber nicht beliebig steigerbar.
Und sobald ein Akku ins Spiel kommt, wird die Wirtschaftlichkeitsrechnung noch schlechter.
Ich werde auch noch einen Artikel machen, wie sich die Zahlen aktuell bei einer neuen Anlage gestalten. Vllt. sieht es jetzt ja schon besser aus, wer weiß?
Grüße,
Manuel
Danke für diese Rechnung! zahlreiche meiner Nachbarn packen sich gerade Solarmodule aufs Dacht inklusiver Batterie und das zu wahnsinigen Preisen (zB 32.000 € Netto bei 11 kW-peak und 7,5 kWh Speicher). Da frage ich mich auch, ob die Leute da mal eine Rendite ausgerechnet haben und ihre Optionen, den MSCI World oder FTSE All Country World, gar nicht kennen.
Hallo Arthur,
Danke für deinen Kommentar und gerne 😊
Ja, ich frage mich das bei sehr vielen Verhaltensweisen, nicht nur bei PV-Anlagen…
Ich plane aber noch einen separaten Artikel über PV-Anlagen mit Speicher, da mich brennend interessiert, wie die Renditesituation 11 Jahre später aussieht.
Grüße,
Manuel